6. August 1685 – die Stadt lodert

Montag, 25. Juni 2018

Beinahe einhundert Meter steigt die dicke Qualmwolke inzwischen in die Höhe. Alles scheint sie einhüllen zu wollen. Menschen jeden Alters rennen schreiend und wild gestikulierend durch die engen Gassen Altendresdens. Manche sind halb nackt, weil sie nicht einmal die Zeit gefunden haben, sich etwas anzuziehen. So schnell war das Unheil über sie hereingebrochen.
Überall werden dringend helfende Hände gebraucht. In den Gesichtern der Einwohner sitzt die nackte Angst. Es sind entstellte Grimassen, in die man blickt. Sie alle wissen, was sie zu verlieren haben. Und sie werden den Kampf nicht gewinnen können …

Der Albtraum einer jeden Stadt war wie aus dem Nichts gekommen. Nur wenige Minuten hatte der ganze Spuk gedauert. Im Haus des bekannten Kunsttischlers auf der Meißner Gasse, ungefähr da, wo sich heute der Parkplatz neben dem Blockhaus an der Elbbrücke befindet, hatte das Feuer begonnen. Vielleicht durch eine Unachtsamkeit, eine Nachlässigkeit. Erst ganz klein, begann es sich urplötzlich in rasendem Eifer in die am Boden liegenden Holzspäne hineinzufressen – mit einer Gier, die nicht zu bändigen war. Der arme Mann griff zwar noch eilig nach seinem Ledereimer, der pflichtgemäß im Zimmer bereitstand, aber das Löschwasser darin war einfach nicht genug, um der Fresslust des Feuers den Garaus zu machen. Im Handumdrehen war es auf den Dachstuhl des benachbarten Hauses übergesprungen. Und von da zum nächsten. Es ging so rasend schnell, dass die Bewohner Altendresdens wie gelähmt zuschauen mussten, ohne wirklich eingreifen zu können. Denn die Häuser bestanden noch immer weitestgehend aus Holz und erinnerten an die einfachen Behausungen des Mittelalters.
Mit Löschwassereimern versuchten die Menschen irgendwie das Schlimmste zu verhindern, aber das Wasser konnte aus den Schwengelbrunnen gar nicht so schnell heraufgezogen werden, wie es gebraucht wurde. Und manch ein unvorsichtiger Bewohner verbrannte elendig in seinem Hause beim Versuch, Hab und Gut doch noch zu retten. Auch die Kinder des Kunsttischlers erstickten jämmerlich. Überall mischte sich unter das Geräusch der Feuersbrunst ein Jammern, Winseln oder Brüllen, oft so schrecklich, dass es kaum wie aus menschlichen Kehlen klang.
Am Ende dieses schicksalhaften Tages hatte das verheerendste Feuer, das Altendresden je heimsuchte, 336 Häuser verschlungen. Lediglich der "Jägerhof" und das Altendresdner Rathaus waren verschont geblieben.

Das Feuer vom 6. August 1685 war zwar nicht der erste Stadtbrand gewesen, es sollte jedoch diesmal die Stadt vollkommen umkrempeln. Denn sofort nachdem die letzten Brandherde erstickt waren, begann man – auf Anordnung Johann Georg III., des Vaters August des Starken – Pläne für eine neue Stadt zu schmieden: "die neue Stadt bey Dresden". Heute kennen wir diesen Stadtteil unter dem Namen "Neustadt", dieser Tage ein beliebter Ort für Touristen und Dresdner gleichermaßen. Hier wird gebummelt, Eis gegessen, an Brunnen sitzend so mancher Alltagsstress vergessen. Die Neustadt ist ein Besuchermagnet und gehört sozusagen zum Pflichtprogramm eines jeden Dresden-Besuchers. Schon allein, da hier das Reiterstandbild August des Starken zu bewundern ist. Dieser war es auch, der – Bezug nehmend auf die Feuerkatastrophe von 1685 – verfügte, dass die Dächer zukünftig aus Ziegeln zu bestehen hätten und kein Haus höher als das Japanische Palais sein dürfe.
Die Feuerverordnungen wurden auch noch einmal verschärft. Es hatte sich nämlich gezeigt, dass das pflichtmäßige Bereitstellen lederner Feuereimer an jedem Haus nicht immer reichte. Auch die Türmer und Nachtwächter, die den Ausbruch eines Brandes lautstark anzuzeigen hatten, waren auf das Desaster von 1685 nicht annähernd vorbereitet gewesen. Vielleicht begann unter all diesen Eindrücken und Erkenntnissen die Idee für eine erste organisierte Feuerlöschgruppe zu keimen, aus der später eine strukturierte und funktionierende Feuerwehr entstehen sollte.

Einer dieser ledernen Feuereimer steht übrigens noch heute im Heimatmuseum Dohna. Dort habe ich ihn gesehen und in die Hand nehmen können. Zuständig für seine Herstellung war der Abdecker, der in Dresden dem Scharfrichter unterstand. Oft wird solch ein Eimer Schlimmeres verhindert haben, doch die häufigen Stadtbrände, auch in Dresden, zwangen zu drastischeren Maßnahmen. Feuergefährliche Berufe mussten quasi vor die Tore der Stadt umziehen. Ein Beispiel dafür sind die Ziegelbrennereien, an welche noch heute ein Straßenname in der Nähe des Eliasfriedhofes erinnert.